Obwohl die bahnbrechenden Arbeiten der Nobelpreisträger Kahnemann, Shiller und Thaler auf dem Gebiet der Verhaltensökonomie diese Annahme bereits widerlegt haben, blieb dieses Paradigma unverständlicherweise über lange Zeit unhinterfragt. Außerdem hätten diese Marketingexperten nur mit einem erfolgreichen Vertriebsmitarbeiter sprechen müssen, um zu verstehen, was die wirklichen Beweggründe für B2B-Entscheidungen sind, und dass ihre Theorien über rationale Kaufentscheidungen nicht mehr als eine Illusion sind.
Die Abwesenheit des Homo Oeconomicus
Jetzt gibt es einen neuen Beweis dafür, denn CEB und Google haben gemeinsam eine Studie unter 3.000 B2B-Einkäufern für 36 Marken und 7 Kategorien in Auftrag gegeben, die einige wirklich interessante Ergebnisse hervorgebracht hat (das Whitepaper mit allen Ergebnissen finden Sie hier).
In Anbetracht des langfristigen Paradigmas und der vorherrschenden Überzeugungen in Bezug auf B2B-Branding hätten die Ergebnisse eigentlich Folgendes beweisen müssen:
- Branding und Marketing spielen keine Rolle, denn Entscheidungen werden ausschließlich auf der Grundlage von Fakten getroffen.
- Der geschäftliche Nutzen sollte die wichtigste Triebfeder für jede Entscheidung sein, und zwar auf der Grundlage dieser Fakten
- Persönliche Vorteile und Emotionen sollten bei diesen Entscheidungen keine Rolle spielen und müssen weder berücksichtigt noch thematisiert werden.
Interessanterweise haben die Ergebnisse von CEB und Google all diese herkömmlichen Weisheiten widerlegt.
Starke Markenbeziehungen sind entscheidend
Das B2B-Marketingumfeld ist heute genauso unübersichtlich und wettbewerbsintensiv wie in vielen B2C-Kategorien. Dadurch wird es für B2B-Marken immer schwieriger, sich von der Masse abzuheben.
In der Vergangenheit nutzten B2B-Lieferanten Branding, um sich einen Reputation für Qualität zu erarbeiten – und um die Kaufbereitschaft und Kaufentscheidung zu erhöhen. Heute kennen B2B-Kunden in der Regel die führenden Anbieter in einem bestimmten Bereich und prüfen über digitale Kanäle selbst, ob ein Anbieter ihre Anforderungen erfüllen kann.
Eine Möglichkeit, dieser Herausforderung zu begegnen, besteht darin, das B2B-Branding und – Messaging auf die geschäftlichen Ergebnisse der Kunden auszurichten, um einen überragenden Mehrwert für das Unternehmen zu vermitteln. Infolgedessen werden Qualitätsmerkmale zu Beweispunkten, die den Nutzen für den Kunden untermauern.
Abbildung 1: Auswirkungen der Markenbindung im B2B-Bereich
Die Verwendung des geschäftlichen Nutzens zum Aufbau stärkerer Markenbeziehungen ist ein wirksames Mittel, um Präferenz, Kauf und Premiumpreise zu erreichen. Die obige Abbildung zeigt deutlich, dass Kunden, die eine starke Bindung an B2B-Marken haben, diese viel häufiger in Betracht ziehen, kaufen und bereit sind, dafür einen Preispremium zu bezahlen.
Gleichzeitig ist die Wahrscheinlichkeit, dass Käufer diese Marke in Betracht ziehen, viermal geringer, wenn der geschäftliche Nutzen nicht verstanden wird. Mit anderen Worten: Die meisten Käufer, die nicht glauben, dass eine Marke einen geschäftlichen Nutzen bringt, ziehen einen Kauf dieser Marke gar nicht erst in Betracht.
Abbildung 2: Nutzenerwartung und Kauferwägung
Somit ist die Nutzenerwartung zu einer Grundvoraussetzung für die Kaufentscheidung geworden. Für B2B-Anbieter ist es jedoch nicht einfach, den geschäftlichen Nutzen für ihre Kunden zu erkennen und zum Ausdruck zu bringen. Warum?
Geschäftlicher Wert ist schwer nachzuweisen
Leider sind die Möglichkeiten einer B2B-Marke, ihren geschäftlichen Nutzen zu demonstrieren, stark eingeschränkt. Der Grund dafür ist, dass sich die Wahrnehmung des Mehrwerts zwischen den Marken oft nicht wirklich unterscheidet, weder innerhalb einer Branche noch branchenübergreifend. Verschiedene Anbieter bieten nahezu die gleichen Produkte und Dienstleistungen an, und eine Überlegenheit – oder ein überlegener geschäftlicher Nutzen – lässt sich nur sehr schwer nachweisen. Dies hat dramatische Auswirkungen auf die Bereitschaft der Käufer, ein Preispremium zu zahlen.
Abbildung 3: Wahrgenommener geschäftlicher Nutzen, nach Kategorie und Marke
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der geschäftliche Nutzen nicht nur schwer nachzuweisen ist, sondern dass er auch zu einer Grundvoraussetzung geworden ist. Er bringt B2B-Lieferanten ins Relevant Set des Käufers, aber er hebt sie nicht hervor – die Käufer kommen zu dem Schluss, dass die drei führenden Unternehmen einer Branche alle einen vergleichbaren geschäftlichen Nutzen bieten und akzeptable Optionen sind. Dies führt unweigerlich zu einem starken Preiswettbewerb, bei dem sich die Kunden letztlich für den Anbieter entscheiden, der den niedrigsten Preis anbietet.
Wenn Sie also im B2B-Marketing erfolgreich sein wollen, reichen weder eine starke Markenbindung noch die Darstellung des geschäftlichen Nutzens aus. Sie geben Ihnen lediglich die Erlaubnis mitzuspielen. Das bringt uns zurück zur Verhaltensökonomie, oder zu dem, was großartige Verkäufer intuitiv verstehen und anwenden …
Persönlicher Vorteil übertrumpft geschäftlichen Nutzen
Das interessanteste Ergebnis der Untersuchung von CEB und Google ist das folgende:
Der persönliche Vorteil wiegt doppelt so schwer wie der geschäftliche Nutzen – und ist der wahre Grund und die treibende Kraft dafür, warum und wie B2B-Entscheidungen in der realen Welt getroffen werden.
In der Studie von CEB und Google wurden diese Vorteile wie folgt definiert:
Geschäftlicher Nutzen – beinhaltet Argumente der Logik/Vernunft in Bereichen wie z.B.:
- Funktionale Vorteile (z. B. hohe Leistung, Struktur/Ordnung)
- Geschäftsergebnisse (z. B. das Erreichen von Geschäftszielen)
Persönlicher Vorteil – umfasst emotionale Anreize in Bereichen wie:
- Beruflicher Nutzen (z. B. eine bessere Führungskraft zu sein, sein Leben zu vereinfachen)
- Soziale Vorteile (z. B. Anpassung an die Kollegen, Bewunderung durch andere)
- Emotionale Vorteile (z. B. Selbstvertrauen, Begeisterung, Zufriedenheit) und
- Vorteile für das Selbstwertgefühl (z.B. Stolz, Gutes für die Gesellschaft zu tun, das Gefühl, etwas erreicht zu haben)
Um den relativen Einfluss der beiden Nutzenkategorien zu bewerten, analysierten CEB und Google ihren Einfluss auf 14 kommerzielle Kriterien, darunter Erwägung, Kauf, Preispremium und Empfehlung. Die Daten zeigen, dass der persönliche Vorteil bei allen Geschäftsergebnissen doppelt so viel Einfluss hat wie der geschäftliche Nutzen. Emotionen spielen beim B2B-Kauf also nicht nur eine Rolle, sie sind sogar wichtiger als Logik und Vernunft.
Abbildung 4: Auswirkungen der wahrgenommenen Vorteile auf die Geschäftsergebnisse
Diese Erkenntnis zeigt, dass es für B2B-Vermarkter eine riesige, in vielen Fällen ungenutzte Chance gibt, ihre Marke(n) mit Blick auf den persönlichen Vorteil hin (neu) zu positionieren und ihre Botschaften entsprechend anzupassen.
B2B-Käufer müssen dem persönlichen Vorteil trauen
Um also mit Ihrem Marketing und Ihren Botschaften wirklich die richtigen Knöpfe zu drücken, ist es wichtig, die Triebkräfte des persönlichen Nutzens beim B2B-Kauf genau zu verstehen. Einer der Hauptgründe, warum Kaufentscheidungen im B2B-Geschäft so persönlich sind – sogar noch mehr als im B2C-Geschäft – ist das persönliche Risiko, das Käufer eingehen. Risiken wie Zeitverlust, wenn eine Kaufentscheidung schlecht ausfällt, Verlust der Glaubwürdigkeit, wenn Käufer eine Empfehlung für einen misslungenen Kauf abgeben, oder Verlust des Arbeitsplatzes, wenn sie für einen fehlgeschlagenen Kauf verantwortlich sind.
Je mehr persönliche Risiken ein Kauf mit sich bringt, desto mehr Emotionen empfinden die Käufer und desto mehr hängen sie an Marken, die einen Mehrwert bieten und Risiken vermeiden helfen. Oder, mit anderen Worten, Marken, denen sie vertrauen (siehe auch unseren Artikel „The Trust Equation“ hier).
Leider ist es einfacher, auch wenn es leicht zu verstehen ist, Vertrauen in den persönlichen Vorteil bei bestehenden Kunden zu schaffen.
Abbildung 5: Geschäftlicher Wert und Kauferwägung
Ein hohes Maß an Vertrauen und eine emotionale Bindung bei bestehenden Kunden helfen jedoch nicht bei Nicht-Kunden. Wenn Nicht-Kunden den persönlichen Wert nicht erkennen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie etwas kaufen, mehr als dreimal geringer und die Wahrscheinlichkeit, dass sie ein Preispremium zahlen, mehr als siebenmal geringer. Infolgedessen erfüllen viele B2B-Unternehmen erfolgreich die persönlichen Bedürfnisse bestehender Kunden, schaffen es aber nicht, Neukunden diese Vorteile zu vermitteln. Deshalb ist es für B2B-Marketer wichtig, diese Chance zu nutzen und auch ihre Nicht-Kunden von ihrem persönlichen Vorteil zu überzeugen.
Geschäftsverständnis als heiliger Gral für das Messaging
Neben der emotionalen Differenzierung, um den Käufer über den persönlichen Vorteil zu gewinnen, müssen die Anbieter auch den geschäftlichen Nutzen „entkommodifizieren“. Um die Markenbindung des Käufers zu verbessern, ist es daher wichtig, Emotionen und persönliche Vorteile mit Möglichkeiten zur Verbesserung der rationalen Differenzierung zu kombinieren.
Um dies zu erreichen, müssen die Anbieter zunächst das aktuelle Verhalten und die Überzeugungen der Kunden analysieren (z. B. die Zufriedenheit mit einer Umgehungslösung oder der Lösung eines Wettbewerbers) und diese Überzeugungen dann durch neue ersetzen, die den Kauf direkt unterstützen. Die stärkste Triebkraft für solche Veränderungen sind Commercial Insights: ein Verständnis (sowie entsprechende Botschaften), die dem Kunden etwas Unerwartetes und Neues über seine eigenen geschäftlichen Bedürfnisse und Herausforderungen vermitteln – im Idealfall ausschließlich gebunden an den Anbieter. Die folgende Abbildung erläutert die Hierarchie der Botschaften:
Abbildung 5: Hierarchie der Informationen, die durch Werbebotschaften vermittelt werden
Kommerzielle Botschaften müssen jede Stufe der Informationshierarchie durchlaufen, um für die nächste Stufe in Frage zu kommen, aber viele kommerzielle Botschaften scheitern an den ersten beiden Stufen. Erfolgreiche Thought-Leadership-Botschaften können den Kunden zwar etwas Neues vermitteln, aber dennoch keine wirklichen Erkenntnisse liefern, wenn diese Erkenntnisse die Kaufkriterien der Kunden nicht beeinflussen. Letztendlich sind Commercial Insights die wirkungsvollste aller kommerziellen Botschaften, da sie das Denken der Kunden über ihre eigenen Geschäftsprobleme herausfordern und ihnen zeigen, dass der Status quo nicht länger akzeptabel ist.
Erfolgreiche Commercial Insights disruptieren Kunden
Durch die Nutzung von Commercial Insights erfahren die Kunden etwas Neues über ihr Geschäft und können so den einzigartigen Wert des Angebots des Lieferanten erkennen. Die meisten kommerziellen Erkenntnisse werden heute in Form von geschäftlichem Nutzen vermittelt, z. B. in Form von unerwarteten neuen Möglichkeiten, Geld zu sparen oder Erträge für das Unternehmen zu erzielen. Um die Wirkung von Commercial Insights zu maximieren, sollten B2B-Vermarkter jedoch auch die persönlichen Bedürfnisse aller beteiligten Interessengruppen adressieren, um sowohl eine emotionale als auch eine rationale Differenzierung zu erreichen.